Betroffene fragen - Experten antworten

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Welche Befunde müssen dokumentiert werden?

Vereinfacht ausgedrückt – alles, was ausgewertet und abgerechnet wurde. Arzt wie Patient müssen anhand der Patientenakte alle wesentlichen Ereignisse und Elemente der Arzt-Patientenbeziehung nachvollziehen können. Wesentlich ist dabei nicht nur, was zum Zeitpunkt der Befunderhebung als Momentaufnahme, sondern was aufgrund der Vergangenheit und der Zukunftsperspektive des Gesundheitszustandes eines Patienten aus der Sicht des objektiven Dritten auffällig ist.

Weil Ärzte mit allen sich daraus ergebenden Folgen im Rechtssinne sachkundiger als Patienten gelten, gibt es zahlreiche Leitlinien für ihr Handeln, die beschreiben, was sie je nach Fachrichtung auswerten müssen und dürfen. Sie müssen im Zweifel somit alles dokumentieren, was im Hinblick auf ihre Kenntnis und Perspektive der Anamnese des Patienten objektiv aussagekräftig ist.

Als Patient sollte man sich deshalb sicherheitshalber Kopien der Befunde geben lassen und diese selbst sorgfältig aufbewahren. 

Rechtsanwalt Hans-Hermann Heyland, Wittibreut

Werden Antidepressiva in der Grundversorgung zu früh eingesetzt? Sollte dazu geraten werden, dass eine entsprechendepsychiatrisch fachärztliche Diagnostik vorausgeht?

Durch den vorschnellen Gebrauch von Psychopharmaka entsteht für Schilddrüsenkranke häufig ein Irrweg

Die psychischen Begleiterscheinungen einer Schilddrüsenerkrankung können sehr belastend sein, es treten oft Ängste auf und auch depressive Zustände (s. hierzu Beitrag Priv.-Doz. Dr. Grömer und Koautoren: „Auftreten von Angststörungen und Depression bei Autoimmunthyreoiditis sowie  www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/depressionen-und-angst-studie-zeigt-verbindung-zu-schilddruesen-problemen-a-1206084.html).

Betroffene suchen den Arzt ihres Vertrauens auf, der bei normalem TSH keine weitere Diagnostik vornimmt (Leitlinie). Ist dieses im Normbereich, erfolgt oft der Hinweis auf mögliche psychische oder psychosomatische Ursachen. Gelegentlich verordnet dieser dann bereits selber moderne Substanzklassen wie z.B. Citalopram, Cipralex, Sertralin, Paroxetin, sowie gelegentlich noch Benzodiazepine, wenn Patienten/innen über Ängste und Panik­attacken klagen.

Antidepressiva sind zugelassen für die Behandlung dieser Störungen, bringen jedoch zum Teil deutliche Nebenwirkungen mit sich und können auch nicht mehr einfach abgesetzt werden (https://www.aerzteblatt.de/archiv/207288/Absetz-und-Rebound-Phaenomene-bei-Antidepressiva).

Unter anderem können innere Unruhe, Ängste, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und sexuelle Störungen auftreten.

Im Rahmen einer Psychotherapie sollte bei Aufnahme der Gespräche eine komplette Abklärung einer möglichen Schilddrüsenerkrankung erfolgen, am besten bei einem Nuklearmediziner oder einem Endokrinologen.
Eine Psychotherapie kann bei einer Schilddrüsenerkrankung trotzdem sinnvoll sein, um gemeinsam Strategien zum Umgang mit Ängsten, Depressionen, Stimmungsschwankungen im Alltag zu erarbeiten und eine eventuell nötige Gabe von Schilddrüsenhormonen zu begleiten. Möglichst ohne antidepressive Medikamente wie oben beschrieben, um den psychischen Befund nicht unnötig zu verkomplizieren.

Bis eine zutreffende Diagnose gestellt wird, durchlaufen Betroffene oft eine Ärzte-Odyssee.

Aus der Sicht der Schilddrüsen-Liga Deutschland e.V. sollte eine konsistente ärztliche Versorgung darauf abzielen, diese Ärzte-Odyssee in jedem Fall zu vermeiden.

Dr. Peter Schmitz, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,Bonn
Barbara Schulte, Vorsitzende der Schilddrüsen-Liga Deutschland e.V.

Vertragen sich Schilddrüsenmedikamente mit der Antibaby-Pille?

Neben der direkten Auswirkung auf das reproduktive Geschehen verändert die Einnahme oraler Kontrazeptiva Einiges im weiblichen Hormonsystem.
Durch kombinierte Pillenpräparate (Östrogen- und Gestagenkomponente) steigt nicht nur das Sexualhormon-bindende-Globulin SHBG, sondern auch das TBG (Thyroxin-bindendes-Globulin), das die verfügbaren freien Schilddrüsenhormone bindet und somit einen entsprechenden Mangel verursachen kann - der TSH-Wert steigt. Die Beurteilung der Schilddrüsensituation unter Einnahme eines kombinierten Kontrazeptivums ist also nur bedingt möglich. Es ist sinnvoll nicht nur den TSH-Wert zu bestimmen, sondern auch T3 und T4. Diese besagten Eiweiße, die durch die Einnahme kombinierter Pillenpräparate dazu führen, dass die Schilddrüse in eine künstliche Unterfunktion versetzt wird, bauen sich ungefähr nach 6 Monaten nach Absetzen der Pille wieder ab.

Prof. Dr. med. Markus S. Kupka, Hamburg

 

Welche radiologischen / nuklearmedizinischen Untersuchungen können indiziert sein?

Die Ultraschalluntersuchung stellt das primäre Verfahren zur Untersuchung der Schilddrüse dar. Die Untersuchung ist mit keiner Strahlenbelastung verbunden und läßt viele krankhafte Veränderungen des Organs mit hoher Auflösung erkennen. Für die Schilddrüsenszintigraphie gibt es gemäß aktueller Leitlinien einige Anwendungsgebiete. Am häufigsten wird die Szintigraphie zur Unterscheidung sog. „warmer“ und „kalter“ Knoten durchgeführt. Weitere bildgebende Verfahren, wie z.B. Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronenemissionstomographie (PET/CT) sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.

Prof. Dr. med Michael Cordes, Nürnberg

Kann eine Radiojodtherapie die Symptome im Bereich der Augen bei Morbus Basedow verschlechtern?

Ja, unter der Radiojodtherapie des M. Basedow wurde eine ca. 10 % häufigere Verschlechterung der Augensymptome gefunden als nach Schilddrüsen­operation. Durch die strahlenbedingte Zerstörung der Schilddrüsenzellen werden Eiweißstoffe aus der Schilddrüse frei und zirkulieren im Körper. Dieses stimuliert die krankhafte Immunantwort des Körpers und führt zu einer vermehrten Bildung von Autoantikörpern gegen Eiweißstoffe aus der Schilddrüse. Diese finden sich zum Teil auch auf den Bindegewebszellen hinter den Augen. Diese werden dann ebenfalls durch die Autoantikörper stimuliert, was zu einer Verschlechterung oder auch einem Neuauftreten von Augensymptomen, d.h. zu einer sog. endokrinen Orbitopathie, nach Radiojod­therapie führen kann. Eine niedrig dosierte Cortisongabe, die vor Gabe der Radiojodkapsel begonnen und bis ca. 6 Wochen danach weitergeführt wird, beseitigt dieses Risiko jedoch komplett. Es wird deshalb angeraten, eine solche Cortisonprophylaxe bei Patienten mit Augensymptomen eines Morbus Basedow unter der Radiojodtherapie durchzuführen. Dieses gilt auch für Patienten, bei denen noch keine Augensymptome bestehen, die aber ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer endokrinen 0rbitopathie haben. Entsprechende Risikofaktoren sind das Rauchen, hohe Autoantikörperspiegel und eine hohe Aktivität des Morbus Basedow, die ihren Ausdruck in einer sehr ausgeprägten Schilddrüsenüberfunktion findet. Bei Patienten ohne Augensymp­tome muss individualisiert mit dem Patienten zusammen über den Einsatz einer Cortisonprophylaxe unter Radiojodtherapie gesproc

Prof. Dr. Torsten Kuwert, Erlangen

Welche Bedeutung kommt der Bestimmung der Schilddrüsenautoantikörper zu?

Es existieren drei wesentliche Schilddrüsenautoantikörper: TSH-Rezeptor Autoantikörper (TRAK), Anti-Thyreoperoxidase-Autoantikörper (Anti-TPO-AK) und Anti-Thyreoglobulin-Autoantikörper (Anti-TG-AK). Die TSH-Rezeptor Antikörper sind hochspezifisch und  hochsensitiv für die Diagnose und Verlaufsbeurteilung des Morbus Basedows. Diese können mit sogenannten Bindungsassays bestimmt werden. Eine Differenzierung zwischen stimulierenden und (selten) blockierenden TRAK ist jedoch nur mittels eines Bioassays möglich (kein Routineassay). Nachweisbare TRAK sind praktisch beweisend für einen Morbus Basedow. Sehr hohe TRAK-Werte im Verlauf der Erkrankung (z.B. größer 10 IU/L ca. 6 Monate nach Erstdiagnose) weisen auf eine wenig wahrscheinliche Remission eines Morbus Basedows hin. Hohe TRAK-Werte korrelieren ebenfalls mit einem schlechteren Verlauf bei bestehender endokriner Orbitopathie. Selten können auch erhöhte TRAK-Werte bei Patienten mit einer Autoimmunthyreoiditis nachgewiesen werden. Die klinische Bedeutung ist bisher nicht abschließend geklärt. Ca. 60-80% der Patienten mit einem Morbus Basedow haben ebenfalls nachweisbare Anti-TPO-AK.

Die Anti-TPO-AK und weniger häufig die Anti-TG-AK dienen zur Sicherung einer Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). Die meisten Patienten mit einer Autoimmunthyreoiditis bleiben ein Leben lang euthyreot. Dies gilt insbesondere bei nur nachweisbaren Anti-TG-AK (ohne Anti-TPO-AK) und bei nur leichtgradig bis mäßiggradig erhöhten Anti-TPO-AK. So konnte z.B. gezeigt werden, dass Patienten mit TPO-Antikörper >500 IU/L ein statistisch erhöhtes Risiko für eine Hypothyreose haben. Zugleich muss allerdings auch festgestellt werden, dass ein größerer Teil der Patienten mit Anti-TPO-AK >500 IU/L euthyreot bleiben und eine Therapieindikation nur im Falle einer sich einstellenden (latenten) Hypothyreose besteht.

Prof. Dr. med. Matthias Schott, Düsseldorf